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Jörg Stiehler bei der Deutschen Gesellschaft e.V.

  • Typ Presseberichte/Resonanz Typ Archiv
  • Datum

Jörg Stiehler wurde von der Deutschen Gesellschaft e.V. eingeladen, im Rahmen einer Midissage der Ausstellung „19. August 1989. Das Paneuropäische Picknick von Sopron.“ von seiner Flucht im Oktober 1989 zu berichten. Der heute in Hamburg lebende Grafik-Designer und seine Mutter waren wenige Wochen nach dem Paneuropäischen Picknick über die ungarische Grenze nach Österreich geflohen.

Jörg Stiehler erzählte von der Anspannung und Angst, die er trotz der friedlichen Ereignisse an der ungarischen Grenze während der Flucht empfunden hatte. Besonders an der ersten Grenze zur damaligen Tschechoslowakei: Hätten Grenzbeamte etwas bemerkt, wäre die Flucht von Mutter und Sohn sofort beendet gewesen und beiden hätte Gefängnis gedroht. Im Zugabteil, in dem noch eine weitere Person saß, herrschte deshalb Stillschweigen, weil man die eigenen Fluchtabsichten nicht versehentlich ausplaudern wollte

Jörg Stiehler wusste bereits mit 14, dass er die DDR verlassen wollte. Ihm fehlten Limonade und Musikkassetten, aber auch die Stimmung im Land war ihm zu bedrückend und trist. Auf die Frage, wie er vom „Riss im Eisernen Vorhang“ erfahren hatte, antwortete er, dass RTL minutiös über die Geschehnisse an der ungarisch-österreichischen Grenze berichtet hatte. Der Empfang des westdeutschen Senders sei in ihrer Wohngegend in Dresden seit 1988 offiziell möglich gewesen.

Bei der Ankunft auf westdeutschem Boden fanden Freude und Erleichterung über die geglückte Flucht ihren für den damaligen Jugendlichen ganz überraschenden Ausdruck. Sie wurden untergebracht in der Bundesgrenzschutzkaserne in Hammelburg. Auf dem Weg zum Frühstück  begegnete er einem Polizisten des Bundesgrenzschutzes, der ihn im Vorbeigehen mit einem schlichten „Hallo!“ grüßte. In diesem Moment, so schilderte Jörg Stiehler zum Abschluss seines Berichtes, sei ihm klar geworden, dass „hier wohl alles anders tickt!“. Freundliche Staatsbedienstete waren ihm bisher noch nicht begegnet.

Katharina Strauch, Praktikantin im Bereich Schulische Bildung bei der Bundesstiftung