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Themendossiers

Früher Widerstand in der SBZ/DDR 1945-1953

Nach der doppelten Staatsgründung 1949 standen sich mit der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zwei sehr unterschiedliche Systeme gegenüber. In den westlichen Besatzungszonen wurden eine parlamentarische Demokratie und eine soziale Marktwirtschaft auf den Weg gebracht. In der DDR errichtete die SED eine Einparteiendiktatur nach sowjetischem Vorbild. Die Teilung war keine innerdeutsche Entwicklung: Während die amerikanische Politik darauf abzielte, die Macht der Sowjetunion zu begrenzen, ging es der sowjetischen Besatzungsmacht um eine Ausweitung der eigenen Einflusszonen: Verstaatlichung von Eigentumsverhältnissen, Bildungsreform, parteipolitische Gleichschaltung und Errichtung eines Verfolgungs- und Überwachungsapparats sind Beispiele für repressive Maßnahmen der Sowjets. Spätestens ab 1946 wurden nicht nur nationalsozialistische Funktionsträger in „Speziallager“ gebracht, sondern zunehmend auch vermeintliche politische Gegner. Sowjetische Militärtribunale verurteilten ca. 35.000 deutsche Zivilisten unter anderem wegen angeblicher „Spionage“, „antisowjetischer Propaganda“ oder „konterrevolutionärer Sabotage“.

Besonders bei Schülern und Studenten regte sich Widerstand gegen die Diktaturdurchsetzung. So verbreiteten Oberschüler aus dem thüringischen Altenburg 1949 in ihrer Stadt Zettel mit einem „F“, die sie von der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit (KgU) erhalten hatten. Zuvor hatten sie mit einem selbst gebastelten Rundfunksender die Frequenz des staatlichen Funks gestört und die Rede von Staatspräsident Wilhelm Pieck zum Geburtstag Stalins 1949 kritisch kommentiert. Die Gruppe flog auf. Das Sowjetische Militärtribunal in Weimar verurteilte am 23. Mai 1950 zwei Lehrer und einen Schüler zum Tode, acht weitere Personen erhielten Strafen bis zu 25 Jahren Arbeitslager.

An der Geschwister-Scholl-Oberschule im thüringischen Sondershausen bildete sich bereits 1949 eine Gruppe, die mit Flugblättern u. a. gegen bewaffnete Streitkräfte in der DDR und mit dem Text „Freiheit der Ostzone!“ protestierte. Bald beendeten die Jugendlichen ihren Widerstand, weil er ihnen als wirkungslos erschien. Durch den Verrat eines Spitzels wurden Mitglieder der Gruppe verhaftet und wegen „Boykotthetze“ zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

In Werder in der Nähe von Potsdam fanden sich ab 1950 etwa 30 Lehrlinge, Schüler und Studenten zusammen, die sich gegen FDJ, Fahnenappelle und politische Einflussnahmen wehren wollten. Im Vorfeld der Volkskammerwahlen am 15. Oktober 1950 verteilten sie Flugblätter und zerrissen SED-Wahlpropaganda. Einige junge Männer besorgten sich aus West-Berlin eine Flugblatt-Rakete und verteilten damit großflächig Flugblätter. Als es zu ersten Festnahmen kam, floh ein Teil der Gruppe nach West-Berlin. Dort fanden sie Kontakt zur KgU und versorgten sie mit Informationen aus der DDR über sowjetische Truppen und über Partei- und Staatsfunktionäre. Die Staatssicherheit verhaftete im Juni 1951 mehr als 20 Personen. Sieben junge Männer und Frauen aus Werder wurden vor dem Sowjetischen Militärtribunal zum Tode verurteilt.

Auch in der thüringischen Stadt Eisenberg protestierten Oberschüler. Sie richteten sich gegen die Drangsalierung von christlichen Mitschülern und von Mitgliedern der Jungen Gemeinde. Im Oktober 1954 protestierten sie mit einem Plakat gegen die Volkskammerwahlen. Es folgten weitere Flugblatt- und Plakataktionen. Am 21. Januar 1956 verübte die Gruppe einen Brandanschlag auf einen Schießstand, an dem die Gesellschaft für Sport und Technik, die Volkspolizei und die SED-Kampfgruppen Schießübungen machten. Auch nach ihrem Abitur setzten die Jugendlichen ihren Protest von den verschiedenen Universitäten aus fort. Sie forderten nun freie Wahlen, den Abzug der sowjetischen Truppen, die Freilassung politischer Gefangener und die Zulassung von Oppositionsparteien. Nachdem ein Stasi-Informant das Vertrauen einiger Mitglieder gewonnen hatte, wurden ab Februar 1958 mehr als 20 Jugendliche verhaftet und wegen „Staatsverrats“ verurteilt.

Der Student an der Universität Rostock Arno Esch wurde im August 1949 vom Sowjetischen Militärtribunal zu Tode verurteilt. Ihm und anderen Mitgliedern der Liberal-Demokratischen Partei wurde die Bildung einer konterrevolutionären Organisation vorgeworfen. Arno Esch wurde 1951 in Lubjanka erschossen. Weitere Beispiele für widerständige Studenten fanden sich an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, an der Universität Leipzig und an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Sie zeigen, dass das Spektrum der widerständischen Strukturen gegen Sowjetisierung und Kommunismus auf politischer, juristischer, kollektiver und individueller Ebene breit ist.

Viele Widerständler arbeiteten mit westlichen Organisationen zusammen: Dazu gehörten neben parteinahen Institutionen und bundesdeutschen Stellen (Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen) auch westalliierte oder westdeutsche Geheimdienste, die antikommunistische Aktivitäten finanzierten und unterstützen. Zudem bildeten sich auch in West-Berlin und Westdeutschland unterstützende Gruppen und Netzwerke. Während der Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen (UfJ) im juristischen und behördlichen Bereich an Geltung gewann, fand die KgU an Schulen und an Universitäten Anhänger, die ihre Flugblätter verteilten oder sich an der „F-Kampagne“ beteiligten. Sie stießen in der Bundesrepublik Deutschland auf einen weitverbreiteten Antikommunismus. Im Jahr 1951 wurde im Westen die FDJ verboten, am 17. August 1956 folgte das Verbot der KPD – und damit setzten Ermittlungen, Verhaftungen und Verurteilungen ein. Bis 1968 wurden mehr als 6.500 Personen zu Haftstrafen verurteilt. Kommunisten wurden vom Bundesentschädigungsgesetz ausgeschlossen und erhielten keine Entschädigungszahlungen für während der NS-Zeit erlittenes Unrecht. 

Beispielhaft sollen im Folgenden Akteure und Gruppen vorgestellt werden, denen in der Forschung eine große Bedeutung zugeschrieben wird oder zu deren Arbeit und Wirkungsweise Zeitzeugen auf www.zeitzeugenbuero.de vertreten sind. Sie können die Materialien der Zeitzeugen verwenden und sie in den Schulunterricht einladen, damit sie von ihren persönlichen Erfahrungen berichten. Der frühe Widerstand in der SBZ/DDR ist ein Thema, das in der Schule häufig vernachlässigt wird. Es bietet aber hinsichtlich der Themen Menschenrechte, Mut und Zivilcourage sowie Diktatur und Demokratie zahlreiche Anknüpfungspunkte. Von zentraler Bedeutung ist das Thema auch, weil die Zeitzeugen damals in einem ähnlichen Alter waren wie heute Ihre Schülerinnen und Schüler.