Zeitzeuge

Jörg Stiehler

Hamburg, Hamburg
* 1973

Die DDR war mir zu eng, ich musste unbedingt raus.

Themen
  • Bildung/Erziehung
  • Mauerfall 9. November 1989
  • Flucht/Fluchthilfe
  • Umbruchserfahrungen seit 1989/90

Biografisches

1973 geboren
1979-1989 Schulzeit an drei verschiedenen Polytechnischen Oberschulen im Raum Sachsen (Coswig, Bahratal, Dresden)
September 1989 Beginn der Tischlerlehre bei den Möbelwerkstätten Hellerau (Dresden)
16.10.1989 Flucht über Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik Deutschland
1989-1992 Fortsetzung der Tischlerlehre in Niedersachsen
1993-1994 Wehrdienst bei der Bundeswehr
1994-1998 wieder wohnhaft in Dresden
1995-1996 Fachabitur
1998-2005 Designstudium, beendet in Hamburg
seit 2005 freiberuflicher Grafik-Designer (FH) in Hamburg
2010/2011 Dozent an der Designschule Schwerin

Kurzbeschreibung

1989 war ich zwar erst 16 Jahre alt, aber schon klar in Richtung Westen orientiert. Bereits mit 14 Jahren hatte ich beschlossen, an meinem 18. Geburtstag den Ausreiseantrag zu stellen. Aber dazu kam es nicht. Anfang Oktober 1989 entschloss sich meine Mutter, mit mir über Ungarn in die Bundesrepublik zu flüchten. Die Fahrt begann am 16. Oktober und endete 36 Stunden später. Glücklich und völlig übernächtigt kamen wir in Bayern an. Ich hatte während der ganzen Zeit nicht geschlafen.
Als Jugendlicher nervte mich die Mangelwirtschaft in der DDR. Manchmal gab es schon ganz simple Sachen nicht zu kaufen – ganz abgesehen von Westmusik und Jeans waren auch Limonade und Mineralwasser nicht immer zu bekommen. Die Angst vor politischer Verfolgung durch das DDR-Regime war allgegenwärtig. Wie weitgehend die Staatssicherheit meinen Alltag beeinflusst hat, kann ich heute nur erahnen. Dass sie existierte und kontrollierte, war mir aber damals schon bewusst. In den Schulen gab es eine militärisch ausgerichtete Erziehung. Sie reichte von der Meldung zum Unterrichtsbeginn bis zum Fahnenapell. In der achten/neunten Klasse mussten die Jungen für eine Woche zum vormilitärischen Unterricht (Wehrlager). Die Mädchen gingen weiter in die Schule, übten dort aber z. B. das Marschieren. Am Anfang der Lehre musste ich noch einmal in dieses Wehrlager: Eine Woche lang übten wir Marschieren, den Umgang mit Schusswaffe und Gasmaske und machten Schießübungen. Ich war doch gerade erst 16 Jahre alt.

Berichte

"Zeitzeuge sein": Im Rahmen eines Internetprojekts berichtet Jörg Stiehler über seine Jugend in der DDR und seine Tätigkeit als Zeitzeuge.

"Muro de Berlim. Jörg Stiehler tinha 16 anos quando decidiu fugir com a mãe": Jörg Stiehler wurde vom portugiesischen Fernsehsender RTP auf Deutsch interviewt, 09.11.2019.

"DDR-Flüchtlinge erzählen: 'Wussten nicht, ob wir eine Chance haben'": Jörg Stiehler kommt in einem Bericht von Sandra Lumetsberger zu Wort, Kurier, 27.06.2019.

"Im Oktober 89 - Flucht über Ungarn in die BRD": Im Rahmen eines Projekts der Hamburger Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. hat Jörg Stiehler am 05.06.2019 von seiner Flucht berichtet.

"Letzte Ausweg Flucht" - das Webspecial von Stilbruch, radioeins und Fritz erzählt fünf Geschichten von Verfolgung, Migration und Entkommen - auch die von Jörg Stiehler.

"Meine Flucht": Ein Rückblick von Jörg Stiehler auf seine Flucht vor 25 Jahren im Herbst 1989. Eine Karte zeigt seinen Fluchtweg in den Westen. Mit Grafiken und in Texten erinnert er sich an die Stationen zwischen Dresden und Fallingbostel.
Bereitgestellt mit freundlicher Genehmigung vom StadtlicHH-Magazin.

 "Kurz vor der Wende aus der DDR geflohen" - Jörg Stiehler zu Gast an der Oberschule "Lernhaus im Campus" in Osterholz-Scharmbeck, 09.07.2015.

"Ungarische Schüler erleben Geschichte" - Jörg Stiehler trifft Austauschschüler aus dem ungarischen Szolnok am Gymnasium Korschenbroich, Neuss-Grevenbroicher Zeitung, 21.4.2015

"Ein Staat, den es nicht gebraucht hätte" - Am Gymnasium Vegesack berichtete Jörg Stiehler Zehntklässlern von seiner Jugend in der DDR. 27.01.2015

"Über Umwege in den Westen" - Jörg Stiehler berichtet an der BBS Osterholz-Scharmbeck von seiner Jugend in der DDR. Weser Kurier, 4.10.2014