Zeitzeugen und Gesellschaft

Sensible Begegnungen mit Zeitzeugen

Entschädigung und Würdigung der Opfer politischer Verfolgung in der SBZ/DDR

Gespräche mit Zeitzeugen sind Begegnungen, die eine verantwortungsvolle und sensible Herangehensweise erfordern. Erinnerungen rufen Emotionen wach. Viele Zeitzeugen sind aus politischen Gründen verfolgt, inhaftiert und benachteiligt worden. Schätzungen zufolge hat es in der SBZ und DDR etwa 250.000 politische Häftlinge gegeben. Über 1.000 Menschen wurden nach Gründung der DDR nach Moskau verschleppt und dort erschossen. Zigtausende verschwanden in den Lagern des GULag. Daneben gab es hunderttausende "administrativ" Verfolgte. Dazu gehören die aus den Grenzgebieten zur Bundesrepublik Deutschland Zwangsausgesiedelten ebenso wie die Gruppe der verfolgten Schüler oder die Kinder und Jugendlichen, die aus politischen Motiven in Heime gebracht wurden. Zu den verfolgten Personen zählen auch jene Menschen, die wegen ihrer "negativ-feindlichen" Einstellung staatlichen Repressalien in Beruf und Privatleben ausgesetzt waren und vom MfS "zersetzt" wurden.

Nach 1989/1990 gab es große Erwartungen an die Justiz hinsichtlich der Verfolgung von in der kommunistischen Diktatur begangenen Straftaten sowie an die Rehabilitierung, Entschädigung und Würdigung der Opfer. Bereits Anfang 1990 wurden aus politischen Gründen verhängte Strafurteile überprüft und zum Teil ungültig gemacht. Nach den Verhandlungen zum Einigungsvertrag hat die DDR zudem mit der Verabschiedung eines ersten Rehabilitierungsgesetzes am 6. September 1990 den Prozess weiter vorangetrieben. Es galt bis zum Ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz mit dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz am 4. November 1992. Weitere Unrechtsbereinigungsgesetze beispielsweise zur Rehabilitierung von Verwaltungsunrecht und Unrecht bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung traten in den Folgejahren in Kraft, wurden wiederholt novelliert und erweitert. Seit Dezember 2014 sind mit dem Fünften SED-Unrechtsbereinigungsgesetz weitere Novellierungen und Verbesserungen eingetreten. Mit der Novellierung vom 22. November 2019 wurden die SED-Unrechtsbereinigungsgesetze entfristet und erneut Verbesserungen für Betroffene vorgenommen.

Einige Betroffene fühlen sich noch nicht ausreichend anerkannt und gesellschaftlich gewürdigt. Sie empfinden die gesetzlichen Regelungen und deren Umsetzung im behördlichen Alltag als unzureichend. Als besonders unverständlich empfinden viele Betroffene die geringe Zahl von Verurteilungen derer, die für das politische Unrecht und die Verbrechen verantwortlich waren. Viele Betroffene haben bis heute kaum Zugang zu Beratungs- und Anlaufstellen, in denen sie nicht nur über die geltende Rechtslage und ihre Ansprüche informiert werden, sondern auch Zugang zu psychosozialer Betreuung und Beratung erhalten. Vor allem in den westdeutschen Bundesländern besteht hier, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, eine Versorgungslücke. Besonderer Bedarf besteht nach wie vor an Gutachtern und Beratern, die nicht nur über fundierte psychologische Kenntnisse verfügen, sondern auch Wissen über das Haft- und Verfolgungssystem der DDR haben.

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