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"... dass sich jemand für uns interessiert"

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Im Jahr 2013 fand das achtwöchige Projekt "Mauern überwinden" von Drudel 11 e. V. mit straffällig gewordenen Jugendlichen in der Thüringer Arrestanstalt Weimer statt.

"Erinnerung als Chance"
Die jungen Straftäter wussten zuvor wenig über die DDR und waren schwer durch pädagogische Bildungsangebote zu erreichen. Im Rahmen des Jugendarrests konnten die Jugendlichen häufig erstmals für historische und politische Themen begeistert werden.

Die Projektwoche wurde jeweils an die Bedürfnisse und Interessen der Gruppe angepasst. Am Anfang jedes Projektes stand eine Kennlernrunde, um sich untereinander bekannt zu machen und Hemmungen zu überwinden. Ein Ziel des Projekts war es, die Jugendlichen zu konstruktiven und kontroversen Diskussionen zu bewegen, um so die freie Meinungsbildung des Einzelnen zu fördern. Bei allen Projekteinheiten wurde der Bezug zur Gegenwart gesucht und so wurden zum Beispiel das Thema Datenschutz oder die Frage nach Persönlichkeitsrechten aufgegriffen.

Im Mittelpunkt des Projekts stand die Auseinandersetzung mit der Freiheit. Die entzogene Freiheit in der Haft diente als Projektionsfläche. Es wurden Grundkenntnisse - wie der Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur - behandelt, aber auch Warnzeichen für Einschränkungen von Grundrechten vermittelt sowie der kritische Umgang mit Quellenmaterial geübt. Dabei erfuhren die Jugendlichen durch Zeitzeugen aus erster Hand von der politischen Verfolgung, die "politische Feinde" in der DDR zu erleiden hatten. Zudem sollten sich die Häftlinge mit der Frage auseinander setzten, warum die Beschäftigung mit Geschichte sinnvoll ist.

"... nachdenklich hat mich gemacht, warum ich überhaupt hier drin bin."
Das Projekt "Mauern Überwinden" sprach eine bis dato oft unbeachtete Zielgruppe an und weckte bei den Teilnehmern durch ihr speziell an die Sträflinge angepasstes Konzept erstmals Interesse an historisch-politischen Fragestellungen. Neben der Vermittlung von historischem Wissen setzten sich die Häftlinge auch mit sich selbst auseinander. Diskussionen über den Wert von Freiheit im Leben der Teilnehmer und die Zukunftspläne in der wiedergewonnen Freiheit nach dem Arrest hatten zum Ziel, dass die Jugendlichen ihre Freiheit künftig bewahren wollen und nicht wieder inhaftiert werden. Den Jugendlichen wurde der Wert einer demokratischen Gesellschaft im Vergleich zur Unfreiheit in einer Diktatur vermittelt. So sollten sie lernen, die Demokratie mit ihren Grundsätzen und Regeln zu schätzen und aggressive oder gewaltsame Verhaltensmuster gegenüber anderen Menschen abzubauen.

Dieses Projekt sollte künftig auch in anderen Bundesländern durch Politik und Jugendarrestanstalten unterstützt werden, um bundesweit jugendlichen Straftätern historisch-politische Bildung zu vermitteln und ein Umdenken in ihren Köpfen zu bewirken. Einen guten Einblick gibt die Broschüre, die von den Seminartagen berichtet und Jugendliche wie Zeitzeugen zu Wort kommen lässt.

Philip Wulkow, FSJ in der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.