News - Detail

Besuch einer „Trostfrau“ in der Bundesstiftung

  • Typ Archiv
  • Datum


Am 15. August 2014 besuchte uns die 87-jährige LEE Ok-Seon in der Kronenstraße. Einen Tag zuvor hatte sie am Brandenburger Tor bei einer Mahnwache zum Gedenken an die "Trostfrauen" teilgenommen. Die Koreanerin ist Opfer der systematischen sexuellen Ausbeutung von Frauen durch das japanische Militär in den während des Asien-Pazifik-Krieges besetzten Ländern. Als "Trostfrauen" (engl. "comfort women", jap. "ianfu") bezeichnete die damalige Kolonialmacht Mädchen und junge Frauen, die Militärangehörigen in so genannten "Troststationen" für die Befriedigung sexueller Bedürfnisse zur Verfügung gestellt wurden. Diese Frauen aus mindestens zehn besetzten Ländern waren meist minderjährig und nicht freiwillig in diesen Kriegsbordellen.

"Das war menschenunwürdig!"

Frau LEE machte auf ihrem mutigen Aufklärungszug um die Welt bereits zum zweiten Mal in Deutschland Station. Dabei wurde sie unter anderem von Nataly Jung-Hwa HAN vom Korea-Verband e.V.  begleitet, durch deren Vermittlung wir uns mit Frau LEE unterhalten konnten. Frau LEE schilderte uns einzelne erschütternde Erlebnisse aus den drei Jahren, in denen sie vom japanischen Militär missbraucht wurde; über ihre Entführung ins besetzte China, den menschenverachtenden Umgang mit den "Trostfrauen", ihren gescheiterten Fluchtversuch und, nach Kriegsende, das Zurückgelassenwerden in der Fremde. Ihre Erfahrungen sind beispielhaft für die Kriegsverbrechen an etwa 200.000 Mädchen und Frauen, für die die japanische Regierung bis heute keine hinreichende Verantwortung übernommen hat. Dort heißt es, die Zwangsausübung auf die Frauen, sich zu prostituieren, sei nicht nachgewiesen worden. Dazu Frau LEE: "Das war wirklich menschenunwürdig, wie wir behandelt wurden. Und Japan behauptet trotzdem, dass wir Geld verdienen wollten. Es war umgekehrt: Japan hat sich an uns bereichert!"

Langer Kampf

In diesen Worten klingt an, warum sie in ihrem hohen Alter vor der japanischen Botschaft in Seoul demonstriert oder die körperlichen Strapazen internationaler Flüge auf sich nimmt: Sie und die wenigen noch lebenden Frauen fordern eine offizielle Entschuldigung und Entschädigung von Seiten der japanischen Regierung. Dies würde eine Anerkennung ihrer Menschenwürde bedeuten und wäre notwendige Voraussetzung für einen persönlichen und gesellschaftlichen Aufarbeitungsprozess. Frau LEE vermutet, dass ein Ende der Demonstrationen, die seit 1992 jeden Mittwoch vor der Botschaft in Seoul stattfinden, nicht in Sicht ist.

Foto: v.l.n.r. KIM Jeoung-Sook (House of Sharing), LEE Ok-Seon (Zeitzeugin),
Dr. Jens Hüttmann (Bundesstiftung, Bildungsarbeit), Nataly Jung-Hwa HAN
(Korea-Verband e.V.), Anna von Arnim-Rosenthal (Bundesstiftung, Zeitzeugenbüro)

Weltweite Anerkennung

Angesichts dieser ernüchternden Prognose freute es uns zu hören, dass die Zeitzeuginnen internationale Anerkennung und vielfältige Unterstützung erfahren. KIM Jeoung-Sook, die Frau LEE ebenfalls begleitete und im "House of Sharing" betreut, betonte im Gespräch mit uns, dass der weltweite Zuspruch den Frauen Mut und Selbstbewusstsein gegeben habe. Die Geschäftsführerin des Wohnprojekts für die ehemaligen "Trostfrauen"  berichtete auch von zahlreichen Kooperationspartnern aus der japanischen Zivilgesellschaft. So fand zum Beispiel in Tokio, wo das "Women's Active Museum" über die Geschichte der "Trostfrauen" aufklärt, im Juni die letzte von bereits 12 "Asian Solidarity Conferences" statt. Dort beraten unter anderem RechtsanwältInnen und HistorikerInnen, wie sie das Anliegen der "Trostfrauen" nachhaltig befördern können. Aus den Reihen der eigenen Regierung wünschte sich Frau LEE noch stärkere Unterstützung. Doch gäbe es in Süd-Korea immerhin eine mittlerweile breite Öffentlichkeit für die Anliegen der Zeitzeuginnen.

70 Jahre später

Während des Treffens mit Frau LEE und ihren Wegbegleiterinnen zeigte sich uns einmal mehr die gesellschaftliche Bedeutung, die hartnäckigen kritischen Stimmen im historischen Aufarbeitungsprozess zukommt. Durch ihre unermüdliche Aufklärungsarbeit wird hoffentlich bald eine Situation entstehen, in der die japanische Regierung die Tatsachen anerkennt und sich bei den Opfern entschuldigt. Der Besuch von Frau LEE, der auch von der deutschen Presse vielfach kommentiert wurde (siehe unten), endete mit der Überlegung von Bundesstiftung und Korea-Verband zu einer gemeinsamen Veranstaltung im kommenden Jahr, wenn sich die Kapitulation Japans zum 70. Mal jähren wird.

Katharina Strauch, Praktikantin im Bereich Schulische Bildung der Bundesstiftung

Weitere Informationen:
Hamburger Abendblatt: "Die vergessenen Sex-Sklavinnen der Japaner", 15. August 2014.
Südwestpresse: "Gesichter des Krieges", 22. August 2014.