Zeitzeuge

Rainer Zenner

Bad Kissingen, Bayern · Sachsen · Sachsen-Anhalt
* 1950

Die Freiheit, Fundament aller menschlichen Werte, ist das einzige Ziel, das die Handlungen der Menschen rechtfertigen kann. (Simone des Beauvoir, 1969)

Themen
  • Bildung/Erziehung
  • Grenzerfahrungen
  • Ausreise/Ausbürgerung
  • Wirtschaft/Landwirtschaft
  • Sport

Biografisches

1950 geboren in Falkenstein (Vogtland)
1968 Abitur an der "Geschwister-Scholl"-Schule Auerbach (Vogtland), Leistungssport
1968-1970 Wehrpflichtiger bei der Nationalen Volksarmee in Eggesin
1970-1974 Studium an der Technischen Universität (TU) Dresden, Promotionsverweigerung
1974-1988 Mitarbeiter in einem Textilbetrieb (VEB Zweizylinderspinnereien Werdau), die letzten vier Jahre als amtierender Direktor für Ökonomie
1988/89 Regaleinräumer im Konsum Werdau während der Ausreisewartezeit
21.10.1989 "Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR"
nach 1989 Tätigkeit in der Textil- und Metallindustrie als Unternehmensberater
bis 1999 Tätigkeit in einer Wollkämmerei in Bremen und weltweite Einführung eine SAP-Lösung, Prokurist
2000-2012 Sanierungsmanager in mittelständigen Betrieben; Kauf von insolventen Unternehmen, Sanierung und Übergabe an neue Eigentümer im Bereich Metall
ab 2012 Rentner und Engagement als Zeitzeuge in Gymnasien der Bundesländer Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt mit Vorträgen zum Thema „Wie lebt es sich in der DDR, wenn man nicht zur herrschenden Klasse gehören will?“

Kurzbeschreibung    

In der DDR wurde offen über die Konsumvorzüge des Westens gesprochen. Dieser veränderte auch das Werdauer Straßenbild - nicht schlagartig, aber schleichend, unaufhaltsam. Desto krasser nahmen wir den galoppierenden Verfall unserer Umgebung wahr: Es mussten Häuser wegen Einsturzgefahr abgerissen werden, die Umweltschäden waren unübersehbar. Unser Sohn wollte nicht mehr mit zu Freunden nach Leipzig fahren - Gestank, Staub und rußiger Nebel hatten ihn verschreckt. Jetzt war auch ich endlich an der Reihe mit einer Westreise! Heute ist es unvorstellbar, welcher Anspannung man ausgesetzt war. Die Reiseerlaubnis unterlag immer noch der Willkür des allmächtigen Staates. Es kreisten unzählige Fragen durch meinen Kopf: Hatten unsere Vorkehrungen ausgereicht? Hatte ich irgendwann eine unbedarfte Äußerung getan? Im Oktober 1988 stellten wir den Ausreiseantrag. Um keinen Repressalien ausgesetzt zu sein, kündigte ich bereits vorher meine Tätigkeit als Abteilungsleiter und wurde Regaleinräumer im Konsum. Wir wurden weniger von staatlichen Stellen gemobbt, da unser Haus „Begehrlichkeiten“ bei den „DDR-Bestimmern“ weckte. Es waren die Lehrer unseres Sohnes, die ehemaligen Kollegen und Nachbarn, die uns ausgrenzten. Das war die eigentliche „Diktatur“-Erfahrung: Menschen sind allzu gern bereit, den Vorgaben des Staats zu folgen, ohne zu hinterfragen.

Berichte über Schulbesuche von Rainer Zenner

"Ein Leben hinter der Mauer" - Zeitzeugengespräch mit Rainer Zenner an der Mädchenrealschule in Neumarkt/Oberpfalz, Bericht verfasst von Kathrin Grashiller.

"Zeitzeugenvortrag zum Lebensgefühl in der DDR" - Zeitzeugengespräch mit Rainer Zenner am Luisenburg-Gymnasium in Wunsiedel, Bericht verfasst von Martina Blickling.