Zeitzeuge

Thomas von Grumbkow (geb. Müller)

Groß-Pankow, Brandenburg
* 1960

Ich wollte einfach nur reisen, per Anhalter die Welt kennenlernen und wäre bestimmt auch wiedergekommen. Aber das ging nicht.
Also wollte ich irgendwann nur noch weg.

Themen
  • Opposition/Bürgerrechtsbewegung
  • Kirche
  • politische Haft
  • Ausreise/Ausbürgerung
  • Flucht/Fluchthilfe

Biografisches

1960 in Leipzig geboren
1976 Abschluss 10. Klasse
1976 Ausbildung zum Stahlbaumonteur, Montage in Bitterfeld und im Atomkraftwerk Greifswald/Lubmin
1981 Fluchtversuch an der bulgarisch-türkischen Grenze, Schussverletzung, Beinamputation
1981-1982 Haft in Brandenburg
1982-1984 Engagement bei der Leipziger kirchlichen Friedensbewegung und im „Offenen Keller Mockau“
1984 Teilnahme an einer Besetzung der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Ost-Berlin und infolgedessen Ausreise nach West-Berlin
1985-1988 verschiedene Ausbildungen, seit 1990 Angestellter im öffentlichen Dienst in Bremen
2011 Mitwirkung bei einem Dokumentarfilm über DDR-Bürger, welche über Bulgarien flüchten wollten
seit 2011 mit dem Film als Zeitzeuge in Schulen, Geschichtsvereinen, Stiftungen und der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) unterwegs

Kurzbeschreibung

Ich war dem DDR-Staat gegenüber immer kritisch, habe ständig Deutschlandfunk gehört und Westfernsehen geguckt und habe mit meinen Geschichtslehrern gestritten, sodass sogar mein Vater in die Schule einbestellt wurde.
Mit 18 Jahren bin ich aus der FDJ ausgetreten und zwei Jahre später aus dem FDGB. In anderen Staatsorganisationen war ich nie Mitglied. In Leipzig war ich DJ in einem kleinen selbstorganisierten Jugendclub und konnte dort überwiegend aus dem Radio aufgenommene Westmusik spielen. Mir hat das Leben in der DDR meistens Spaß gemacht. Trampen war meine Leidenschaft und jeden Sommer bin ich per Anhalter nach Bulgarien ans Meer gefahren. Bei diesen Reisen habe ich begriffen, was Freiheit wirklich ist. Mein Fernweh wurde immer größer und die Sehnsucht nach der mir versperrten Welt fast unerträglich. Meine vierte Tramptour nach Bulgarien wollte ich dann zur Flucht nutzen und wurde wenige Meter vor der türkischen Grenze von bulgarischen Grenzern angeschossen. In Burgas musste dann mein rechtes Bein amputiert werden.
Im Gefängnis erfuhr ich über einen inhaftierten Pfarrer von der Friedensbewegung „Schwerter zu Pflugscharen“ und war nach meiner Haftentlassung im Leipziger „Offenen Keller Mockau“ aktiv. Wir waren 1982/1983 ein Teil der Leipziger Friedensbewegung und gingen jeden Montag in die Nikolaikirche zum Friedensgebet.
Im Herbst 1983 organisierten wir erste Demonstrationen mit Kerzen in der Leipziger Innenstadt.
1984 gelangte ich eher zufällig und spontan über eine Botschaftsbesetzung in Ost-Berlin nach West-Berlin.
Der Dokumentarfilm „Die Vergessenen“ hat u. a. meine Fluchtgeschichte dokumentiert und mich somit zum Zeitzeugen „gemacht“. Der Film wurde schon an mehreren Schulen und verschiedenen Orten gezeigt und ich stehe dann als Zeitzeuge vor dem Publikum.

Thomas von Grumbkow berichtet von seinem Fluchtversuch aus der DDR, der Festnahme und seiner Beinamputation.