Zeitzeuge

Herbert Schneider

Halberstadt, Sachsen-Anhalt
* 1948

Die Demokratie ist das höchste Gut, was ein Mensch haben sollte. Wer in Unfreiheit gehalten wurde, weiß die Freiheit zu schätzen und zu würdigen.

Themen
  • politische Haft
  • Freikauf
  • Militär
  • Wirtschaft/Landwirtschaft

Biografisches

1948
in Magdeburg geboren
1955-1965 Polytechnische Oberschule
1965-1968 Ausbildung und Abschluss zum Werkzeugmacher
April 1968 Heirat
1968-1970 Cheffahrer bei der Nationalen Volksarmee der DDR, Auszeichnung mit der Verdienstmedaille der Nationalen Front
November 1970 Antragstellung auf Ausreise
bis 1983 Tätigkeit als Mobilkranfahrer im Agrochemischen Zentrum (ACZ) Halberstadt
1983 Verhaftung und Verurteilung zu drei Jahren und vier Monaten Haft wegen „staatsfeindlicher Verbindungen“ (§ 100 Strafgesetzbuch (StGB) der DDR) und „öffentlicher Herabwürdigung der staatlichen Ordnung“ (§ 220 StGB der DDR)
bis 1984 in den Zuchthäusern Magdeburg, Berlin Hohenschönhausen, Leipzig-Meusdorf, Magdeburg Sudenburg, Cottbus, Bautzen, Abschiebehaftanlage Karl-Marx-Stadt (heutiges Chemnitz) inhaftiert
1984 nach 16 Monaten Haft von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft 


Veröffentlichung

- Schneider, Herbert: "Politische Verfolgung – Häftlingsfreikauf im kalten Krieg. Demokratie und Menschenwürde", Verlagshaus Schlosser, Friedberg 2012

Kurzbeschreibung

1970 erhielt ich aufgrund überdurchschnittlicher Arbeitsleistungen die Verdienstmedaille der Nationalen Front, obwohl üblicherweise nur SED-Mitglieder diese Auszeichnung bekamen. Allerdings war meine politische Meinung nicht die der SED. Ich setzte mich immer für Gerechtigkeit, Völkerfreundschaft und Frieden ein. Immer wieder äußerte ich offen meine Meinung zum SED-Regime und der innerdeutschen Grenze mit den Selbstschussanlagen. Meine Frau und ich stellten 1970 unseren ersten Ausreiseantrag, woraufhin meine Frau Berufsverbot bekam. Meine Mutter war bereits in der Bundesrepublik und stellte von dort aus einen Antrag auf Familienzusammenführung. Als ich verhaftet wurde, teilte man mir mit, dass ich bei einem Freikauf durch die Bundesrepublik mindestens eine meiner Töchter zurücklassen müsste. Daraufhin ging ich im September 1983 bis Oktober 1984 immer wieder in Hungerstreik. Mein Anwalt Dr. Wolfgang Vogel legte mir nahe, den Hungerstreik durchzustehen. Ich sah keinen anderen Ausweg, aus Angst vor einer noch längeren Haftstrafe. Am 5. Dezember 1984 wurde ich von der Bundesrepublik für 90.000 Westmark freigekauft. Trotz meiner erheblichen Gesundheitsschäden wollte ich nicht arbeitslos sein. Ich habe an der Schaufel im Straßenbau gearbeitet und wurde von der Firma nach einem Jahr als Schachtmeister eingesetzt. Nach zehn Jahren machte mir meine Gesundheit einen Strich durch die Rechnung und ich arbeitete die letzten zehn Jahre als Fernfahrer. Heute bin ich 100 Prozent schwerstbehindert. Ich bin aktives Mitglied der VOS, des Menschenrechtszentrums Cottbus e. V. und arbeite als Zeitzeuge.

 

Herbert Schneider: Politische Verfolgung. Häftlingsfreikauf im Kalten Krieg. Demokratie und Menschenwürde.

Klappentext:

Hiermit gibt der Autor, dem Leser ein Buch in die Hand, welches in der Deutschen Geschichte bisher so nicht veröffentlicht wurde. Dieses ist eine Bereicherung der offenen und fehlenden Aufarbeitung der DDR Diktatur. Über politische Gefangene, deren Ablauf und Freikauf, wird wenn überhaupt, nur am Rande berichtet, da es das dunkelste Kapitel der DDR Geschichte war. Aber auch ein politisches Druckmittel im kalten Krieg, gegen die westlichen Kräfte und deren Regierungen. Zum anderen war der Gefangenenverkauf eine gute Einnahme zur Verbesserung ihrer maroden Wirtschaft. Obendrein hat dieser SED-Staat damit seine unbeliebten Kritiker entsorgen können. Sie war nicht die alleinige auf der Welt, welche politische Häftlinge erzeugte. Das zeigt auch die heutige Geschichte. Aber es zeigt auch, dass über diese Altlasten nicht oft und gerne berichtet wird.

Weiteres Material:

- Entlassungsschein von Herbert Schneider, 1984.