Zeitzeuge

Josephine Keßling

Hannover, Niedersachsen
* 1962

Furchtlosigkeit war das einzige Mittel.

Themen
  • Kirche
  • Ausreise/Ausbürgerung
  • Alltagserfahrungen

Biografisches

1962 in Thüringen geboren
1978-1980 Ausbildung zur Facharbeiterin für Porzellanherstellung in Kahla
1980 Umzug nach Halle (Saale), Tätigkeit als Medizinische Hilfskraft in der Kinderpsychiatrie
seit 1980 aktives Mitglied der Jungen Gemeinde Halle-Neustadt
1981 Stellung eines Ausreiseantrags
1983 Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland
2013 Beendigung der Ausbildung zur Medizinischen Dokumentationsassistentin
seit 2014 Mitarbeiterin in der Vertrauensstelle beim Tumorregister Niedersachsen in Hannover
 

Veröffentlichung

Josephine Keßling: Kopfschuss - Autobiografische Zeitfenster, erhältlich auf Amazon als Taschenbuch und seit 2015 als Kindle-Version.

Kurzbeschreibung

Josephine Keßling erhielt trotz eines Notendurchschnitts von 1,7 keinen Platz auf dem Gymnasium. Statt des Abiturs machte sie eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Porzellanherstellung in Kahla, arbeitete aber nie in diesem Beruf. Nach ihrem Umzug nach Halle (Saale) im Jahr 1980 war sie als Medizinische Hilfskraft in einer Kinderpsychiatrie beschäftigt. Im gleichen Zeitraum begann ihr Engagement in der Jungen Gemeinde Halle-Neustadt. Sie wirkte an der Planung der Werkstatttage in den Jahren 1981 und 1982 mit, an denen im Mai 1980 mehr als 700 Jugendliche teilnahmen. Die Staatssicherheit beobachtete diese Treffen mit Argwohn und so geriet auf Josephine Keßling in den Blick der Stasi. Die 18-Jährige beteiligte sich am Beschluss zur ersten Friedensdekade "Schwerter zu Pflugscharen" in Dresden, war aktiv in der Basisgruppe "Sozialer Friedensdienst" und plante Friedensgebete in Halle (Saale). Ihre Unterschrift unter den Berliner Appell "Frieden schaffen ohne Waffen" konnte sie nicht leisten, dies wusste die Stasi zu verhindern. 1983 wurde ihr zwei Jahre zuvor gestellter Ausreiseantrag genehmigt. Im Westen machte Josephine Keßling Station in Baden-Württemberg, Bayern, in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Sie bekam vier Kinder und lebt seit 2014 in Niedersachsen.

Podiumsgespräch mit Josephine Keßling: Gegen alle Mauern – Unangepasste Jugendliche in der DDR der 1970er- und 1980er-Jahre

Der Anpassungsdruck, der auf der Jugend in der SED-Diktatur lastete, war gewaltig. Jugendliche, die sich den Vorschriften und Einengungen ihres Lebens durch die Staatsorgane in Schule, Beruf und Freizeit widersetzten, die sich frei machen und eigene Lebensformen erproben wollten, stießen schnell und hart an die sichtbaren und unsichtbaren Mauern der DDR. Aufgrund ihres „Anderseins“ als Punks oder Friedensaktivistinnen bekamen sie die geballte Macht des Systems zu spüren. Die Auswirkungen auf ihre Jugend und ihre Zukunft waren gravierend: Ausgrenzung von Bildung und Beruf, Stigmatisierung, Verfolgung durch die Stasi und politische Haft.
Das Podiumsgespräch fand am 22.06.2022 in der Bundesstiftung Aufarbeitung statt.

"Eine Person" mit "feindlich-negativer Einstellung"

Auf ihrer Internetseite hat Josephine Keßling für Lehrende, Schüler und Interessierte Teile aus ihrer Stasi-Akte zusammengestellt. Sie beziehen sich auf den Zeitraum 1980 bis 1983 und nach ihrer Ausreise bis 1989 und bieten einen Einblick in die Beobachtung durch die Staatssicherheit. Umstände und Abkürzungen erklärt sie in einem kurzen Vorwort und erläutert in Stellungnahmen die Hintergründe der Stasi-Berichte.

Material

Ausstellung und Web-Anbegbot: "Rebellion im Plattenbau. Die Offene Arbeit in Halle-Neustadt 1977-1983". Mit der Öffnung einzelner Junger Gemeinden für alle entstand in der Kirche ein schützender Freiraum für Heranwachsende: unabhängig von Konfession und politischer Einstellung und jenseits der engen Grenzen staatlich verordneter Angebote zur Jugendbetreuung. Die sich ab 1977 in Halle-Neustadt entfaltende Offene Arbeit fand rasch Zuspruch, es kamen so viele regelmäßig, dass die Staatsmacht aufmerksam wurde. Ab 1978 wurden mit zunehmendem Aufwand Maßnahmen ergriffen, die Offene Arbeit in Halle-Neustadt langfristig wirksam zu unterbinden.

Der Berliner Appell "Frieden schaffen ohne Waffen" zum Nachlesen auf www.jugendopposition.de.