Zeitzeuge

Jürgen Eggert

Wangels Meischenstorf, Schleswig-Holstein
* 1942

Er aber zog seine Straße fröhlich. (Apostelgeschichte 8, 39)

Themen
  • politische Haft
  • Kirche
  • Ausreise/Ausbürgerung
  • Staatssicherheit

Biografisches

1942 in Memel (ehemals Litauen) geboren
1956-1960 Oberschule in Greifswald, Abitur
1960-1961 Medizinstudent in Greifswald
1961-1962 Verhaftung durch das MfS, Untersuchungshaft in Rostock
1962 Verurteilung durch das Bezirksgericht Rostock zu fünf Jahren Zuchthaus wegen "Staatsgefährdender Propaganda und Hetze" u. a., nach Berufung beim obersten Gericht: drei Jahre Zuchthaus
1962-1964 Haft in Berlin Hohenschönhausen (Lager X), Bützow-Dreibergen und Berlin Rummelsburg
1965 Arbeit als Hilfspfleger im Krankenhaus Berlin-Pankow
1965 erneute Verhaftung durch das MfS, sieben Monate U-Haft in Berlin-Pankow
1966 Verurteilung durch das Stadtgericht von Groß-Berlin zu einem Jahr Gefängnis wegen "Verbindungsaufnahme", Haft in Berlin-Rummelsburg, Entlassung in die DDR
1966-1972 Studium der Evangelischen Theologie in Naumburg/Saale (Kirchliches Oberseminar) und Ost-Berlin (Sprachenkonvikt), Erstes Theologisches Examen
1972-1973 Predigerseminar in Wittenberg/Elbe
1974-1975 Gemeindevikariat in Lubmin bei Greifswald
1975 Übersiedlung mit Ehefrau und zwei Kindern in die Bundesrepublik
1976 Zweites Theologisches Examen in Kiel
1976-2005 Pastor in Hohenstein in Holstein
2005 Eintritt in den Ruhestand
seit 2011 Engagement als Zeitzeuge bei der BStU-Außenstelle Rostock

Kurzbeschreibung

Weil Jürgen Eggert in einem bürgerlichen Elternhaus aufwuchs und kein Mitglied der Pionierorganisation oder der FDJ war, erhielt er keine Zulassung zur Oberschule und zum Studium. Er arbeitete in der Jungen Gemeinde mit. Eggert äußerte offen Kritik am Mauerbau, an der Kollektivierung der Landwirtschaft und an der FDJ-Aktion "Blitz kontra Nato-Sender". Außerdem war er "Nichtwähler". Da sein Bruder im November 1961 die Mauer überwandt, wurde Eggert im selben Monat in Greifswald verhaftet. Seine Untersuchungshaft-Erfahrungen in Rostock verstärkten seine oppositionelle Haltung noch mehr und ließen den Entschluss reifen, selbst zu fliehen. Während er die Flucht plante, wurde er erneut verhaftet und  nach sieben Monaten U-Haft in Berlin-Pankow zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Nach der Haft begann er ein Theologiestudium in Naumburg und Ost-Berlin unter ständiger "operativer Kontrolle" des MfS. Damit er kein Pfarramt in der DDR wegen "verfestigter feindlich-negativer Einstellung zur DDR" übernehmen konnte, wurde er aus der Staatsbürgerschaft der DDR entlassen und siedelte 1975 nach Schleswig-Holstein über. Auch dort wurde er durch das MfS beobachtet.

Fernsehbeitrag über Jürgen Eggert, die Haft nach der Flucht seines Bruders und die Ausreise der Familie in die Bundesrepublik Deutschland.

Bericht

"Ich hatte Angst, dass sie mir die Zähne rauskloppen" - Jürgen Eggert war im Stasi-Gefängnis von Rostock eingesperrt. Heute erzählt er von seinen Erfahrungen, Ängsten und den Methoden der Stasi. Schweizer Radio und Fernsehen, SRF, 3.4.2018.