Zeitzeuge

Reinhard Spiller

Berlin, Berlin
* 1941

Mit dem Fall der Mauer wurde eine große Last von mir genommen.

Themen
  • Mauerfall 9. November 1989
  • Flucht/Fluchthilfe
  • Mauerbau 13. August 1961

Biografisches

1941 geboren in Dahlwitz/Hoppegarten bei Berlin
1955 Abschluss der Schule in Berlin-Köpenick
1955-1958 Lehre als Elektromonteur im Kabelwerk Oberspree (KWO) Ost-Berlin, Entlassung wegen Engagements in der Jungen Gemeinde
1958-1959 Tätigkeit als Fernmeldemechaniker
1959-1962 Studium an der Ingenieurschule Gauß in West-Berlin
15.08.1961 Flucht nach West-Berlin
1962 Fluchthilfe für Eltern und Freunde
1963 Hochschulreifeprüfung
1963-1968 Studium an der Technischen Universität (TU) Berlin
1968-1974 wissenschaftlicher Assistent für Informatik an der TU Berlin
1974-1981 Fachreferent für Datenverarbeitung in der Senatsverwaltung Berlin
1981-1999 Leiter der Verbundsysteme beim Deutschen Bibliotheksinstitut
 

Veröffentlichung

Die Fluchtwege mit gefälschten Diplomatenpässen beschreibt der Fluchthelfer Dr. Burkhart Veigel in der 4. Auflage seines Buches: Wege durch die Mauer. Fluchthilfe und Stasi zwischen Ost und West, Berlin 2011.

Kurzbeschreibung

Reinhard Spiller war weder bei den Pionieren, noch stammte er aus einer Arbeiter- und Bauernfamilie. Stattdessen engagierte er sich bei der Jungen Gemeinde und hatte dafür die Konsequenzen zu tragen: Zuerst wurde ihm ein Schulbesuch über die achte Klasse hinaus untersagt, später durfte er seine Lehre im Kabelwerk Oberspree als Elektromonteur nicht beenden und wurde drei Monate vor der Facharbeiterprüfung entlassen. Der 17-Jährige konnte seine Lehre in einem Privatbetrieb beenden und anschließend ein Studium an der West-Berliner Ingenieurschule Gauß aufnehmen. Er hatte nur noch ein Jahr zu studieren, als ihn der Mauerbau am 13. August 1961 überraschte und seine Zukunftspläne zerstörte. Reinhard Spiller entschloss sich sofort zur Flucht. Er nutzte den Trubel der ersten Tage nach dem Mauerbau und schaffte es am 15. August 1961 über den Grenzübergang an der Friedrichstraße/Kochstraße, dem späteren Checkpoint Charlie, nach West-Berlin. Wenige Monate später, Mitte 1962, verhalf er auch seinen verzweifelten Eltern über die Grenze: Mit dem österreichischen Pass eines Kommilitonen, versehen mit seinem eigenen Foto, und mit einem gefälschten Diplomatenausweis fuhr er sie über den gleichen Grenzübergang, über den er selbst geflohen war. Bis 1963 gelang es ihm, etwa 50 weitere Personen aus seinem Freundeskreis auf diesem Weg zur Flucht zu verhelfen. Die nervliche Anspannung bei jeder Fahrt über den Grenzübergang, die er immer selbst durchführte, und die daraus folgenden gesundheitlichen Probleme sowie die Kosten für den Fluchtweg zwangen ihn, sein Vorhaben zu beenden. Entscheidend war jedoch auch der Wunsch, die Bildung nachzuholen, die ihm in der DDR verweigert worden war. Seine Methoden zum Fälschen von Diplomatenausweisen wurden von anderen Fluchthelfern weiter genutzt. Nach 1989 erfuhr er aus seiner Stasi-Akte, dass er noch bis 1983 unter Beobachtung gestanden hatte.