Zeitzeuge

Thomas Raufeisen

Berlin, Berlin
* 1962

Soll ich in dieser tristen, grauen DDR weiterleben? Also das war die Katastrophe für mich!

Themen
  • politische Haft
  • Bildung/Erziehung
  • Flucht/Fluchthilfe
  • Ausreise/Ausbürgerung

Biografisches

1962 in Hannover geboren
1979 unfreiwillige Übersiedlung in die DDR
1980/1981 mehrere Fluchtversuche, u. a. über Ungarn
12.09.1981 bis 11.09.1984 drei Jahre politische Haft in Berlin-Hohenschönhausen und Bautzen II
Oktober 1984 Ausreisegenehmigung und Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland
seit 2003 Besucherreferent in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen



Veröffentlichungen

Thomas Raufeisen: Ich wurde in die DDR entführt. Von meinem Vater. Er war Spion. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 2017.

Thomas Raufeisen: Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei. Freiburg im Breisgau: Herder Verlag, 2010.

Kurzbeschreibung

Thomas Raufeisen ist gebürtig aus Hannover und verbrachte dort auch seine Jugend. Sein Vater, damals Geophysiker beim Industrieunternehmen Preussag, war als Inoffizieller Mitarbeiter für das Ministerium für Staatssicherheit tätig. 1979 drohte ihm eine Verhaftung wegen Spionage, sodass die Familie Raufeisen in die DDR ausreisen musste. Unter dem Vorwand, den kranken Großvater in Ostdeutschland zu besuchen, fuhren die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern über die Transitstrecke Richtung Berlin nach Ahlbeck. Dort erfuhren die Brüder zum ersten Mal den Hintergrund der Reise sowie alles über die Tätigkeit des Vaters. Der minderjährige Thomas Raufeisen konnte im Gegensatz zum älteren Bruder Michael die Einbürgerung nicht verweigern und musste somit in der DDR bleiben. 1980/1981 misslangen mehrere Fluchtversuche der Familie, u. a. über Ungarn. Der nun 19-jährige Thomas wurde wegen "ungesetzlichen Grenzübertritts" und "landesverräterischer Agententätigkeit" zu drei Jahren Haft verurteilt. Nach Verbüßung der Haft erhielt er 1984 eine Ausreisegenehmigung und reiste zurück in die Bundesrepublik. Heute arbeitet er freiberuflich im Bereich der politischen Bildung, u. a. als Besucherreferent in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Er hält Vorträge, Lesungen und führt Zeitzeugengespräche in Bildungseinrichtungen. Seine Biografie ist Grundlage des Films von Bettina Renner "Unser Vater, der Spion". Er selbst ist Autor des Buches "Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei" (Herder-Verlag).

Thomas Raufeisen erzählt, wie sein Vater, ein Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi, unter falschem Vorwand mit seiner Familie von der BRD in die DDR übergesiedelt ist. Dort angekommen, realisiert die Familie schnell, dass sie wieder in ihre alte Heimat zurückkehren will und unternimmt mehrere Versuche, in die Bundesrepublik Deutschland zu fliehen. Von der Stasi entdeckt, wird Thomas Raufeisen in Bautzen inhaftiert.

Veranstaltungsbericht

Im Rahmen der didacta-Bildungsmesse veranstaltete die Bundesstiftung Aufarbeitung ein Zeitzeugengespräch in der Anne-Frank-Realschule in Stuttgart. Am 29. März 2014 berichtete Thomas Raufeisen den zehnten Klassen von seinem Leben. Die Schülerinnen und Schüler fragten nach den Unterschieden in der westdeutschen und der Ost-Berliner Schule, sie interessierten sich für die Reaktionen der Schüler auf den Sohn eines Stasi-Spions und den Zusammenhalt in der Familie. Thomas Raufeisen sprach mit ihnen auch über gescheiterte Fluchtversuche und die politische Haft in den Gefängnissen Berlin-Hohenschönhausen und Bautzen II.
Die Filder-Zeitung war dabei und berichtete von dem Zeitzeugengespräch.
Dr. Jens Hüttmann von der Bundesstiftung Aufarbeitung, Thomas Raufeisen und Lehrer Holger Viereck begrüßten die Schülerinnen und Schüler.
 

Zeitzeugengespräch in der Bundesstiftung Aufarbeitung

„Ich war in einer Schockstarre, als ich erfuhr: mein Vater ist ein Spion der DDR!“
46 FSJ-ler aus Nordrhein-Westfalen hörten Thomas Raufeisen gebannt zu, der als 16-Jähriger seine Heimatstadt Hannover Richtung Ost-Berlin verlassen musste. Die Jugendlichen des Internationalen Jugendgemeinschaftsdienstes (ijgd) waren auf einer Bildungsreise in Berlin unterwegs und besuchten die Bundesstiftung Aufarbeitung. „Extrem spannend, anschaulich, erschreckend!“, fasste ein FSJ-ler das Zeitzeugengespräch zusammen.

Interview

Thomas Raufeisen war monatelang im Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen eingesperrt. Heute ist er dort als Referent tätig und führt die Besucherinnen und Besucher durch das frühere Gefängnis und die Gedenkstätte. Im Interview mit der Deutschen Welle schildert er seine Erinnerungen. 09.10.2014.
Hier geht es zum englischsprachigen Artikel.
 


Berichte

"Der Tag, an dem unser Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei." – Thomas Raufeisen las im DDR-Museum in Pforzheim aus seinem Buch. Als Raufeisen 16 Jahre alt war, musste die Familie plötzlich von Hannover nach Ost-Berlin ziehen. Dann erzählte der Vater ihnen, dass er als „Kundschafter des Friedens“ in Westdeutschland gearbeitet hätte. Das Leben von Thomas Raufeisen stand von dem einen auf den anderen Tag Kopf. Im Buch verarbeitete er seine bewegte Lebensgeschichte. Pforzheimer Zeitung, 21.02.2017.

"Unfreiwillig in die DDR" – Ausführlicher Bericht über Thomas Raufeisen. Neue Presse, 24.10.2015.

"'Grenzerfahrungen' eines jungen Mannes" - Thomas Raufeisen berichtete 55 Schülerinnen und Schüler der Carl-Bantzer-Schule über die Flucht seiner Familie in die DDR. Beitrag auf www.nh24.de, 30.05.2015.

"Stasiopfer referiert im Georgsmarienhütter Rathaus" – Thomas Raufeisen war zu Gast in Niedersachsen und erzählte von der Übersiedlung seiner Familie von Hannover in die DDR. Osnabrücker Zeitung, 28.01.2015.