Zeitzeuge

Christian J. Th. Koch

München, Bayern
* 1955

Es war mir wichtig, ein Leben leben zu können ohne lügen zu müssen.
Das Leben in der SED-Diktatur hätte ich ertragen können, aber der Gedanke, da auch meine Kinder großzuziehen, gab den letzten Anstoß zur Flucht.

Themen
  • politische Haft
  • Mauerfall 9. November 1989
  • Flucht/Fluchthilfe
  • Freikauf

Biographisches

20.06.1955 in Jena geboren als zweiter Sohn des Pfarrers Dr. theol. Ottfried Koch und der Krankenschwester Juliane Koch
1962-1972 Besuch der Polytechnischen Oberschule "Geschwister Scholl" in Eisenach
ab 1972 Lehre als Zerspanungsfacharbeiter im Automobilwerk Eisenach (Der Wartburg)
Dienst bei der Nationalen Volksarmee
1977 Fluchtversuch, Haft in Cottbus
1978 Freikauf durch die Bundesrepublik Deutschland, anschließend als Gasthörer Studium der Theaterwissenschaft in Erlangen
März 1985 Heirat, drei Kinder: Lia, Sophie und Tibor, Trennung im Jahr 2004
1988 Abschluss einer Ausbildung zum Industriekaufmann an der Grone-Schule in Hamburg, Arbeit in diesem Beruf in einem großen Münchner Film-Kopierwerk
seit 1991 selbständiger EDV-Spezialist in München
 

Veröffentlichung

Christian J. Th. Koch: Ohne Lügen leben. Wachsen und Reifen im Zuchthaus der Stasi, BookRix 2014, E-Book.

Kurzbeschreibung

Ich hatte gerade meine Lehre beendet und arbeitete im Johannes-Falk-Heim in Eisenach, ein Heim der evangelischen Kirche für geistig behinderte Kinder. Als Betreuer war ich zuständig für eine Jungsgruppe, die ich vom Aufstehen, Duschen und Frühstücken bis zum Gute-Nacht-Lied durch den Tag begleitete. Zu dieser Zeit erwartete ich täglich den Einberufungsbefehl zur Nationalen Volksarmee (NVA). Mein älterer Bruder und ich wollten fliehen, um der Musterung zu entgehen. Aber er versuchte es allein, ohne mich zu informieren. Er wurde gefasst und inhaftiert, ich ging zur NVA. Als ich 18 Monate später aus der Armee entlassen wurde, entschloss ich mich erneut zur Flucht - zusammen mit meinem jüngeren Bruder. In Ungarn wurden wir verhaftet, in die DDR überstellt und kamen in Erfurt in Untersuchungshaft. Das Urteil lautete 22 Monate Haft wegen "versuchter Republikflucht", die ich im Zuchthaus in Cottbus abzusitzen hatte. Eines Tages wurde ich entlassen, die Bundesregierung kaufte mich frei. In der Zwischenzeit war ich erwachsen geworden.

 

Haftentlassungsschein von Christian J. Th. Koch

Bericht

"Im Zuchthaus wurde ich erwachsen" - Christian J. Th. Koch berichtet von seinem Fluchtversuch, von Stasi-Verhören und Einzelzelle in Haft. Süddeutsche Zeitung, 6.10.2015.

Foto: Zelle von Christian J. Th. Koch im Stasi-Untersuchungsgefängnis in Erfurt